Vergangenheit von Frei.Wild

Dem Sänger der Band, Philipp Burger, werden zwei Dinge aus seiner Vergangenheit vorgeworfen: Gründung einer rechtsradikalen Band und die Nähe zur rechtsradikalen Partei "die Freiheitlichen Südtirol".

Er war Mitglied einer Band, die rechtsextremes Gedankengut verbreitete. Als Südtiroler habe ich von dieser Band noch nie etwas gehört, was die Sache allerdings nicht beschönigt. Dies geschah in einer Zeit der Teenager-Phase, in der er in diese Szene abgedriftet ist. Er hat sich laut eigenen Angaben davon los gesagt, da er bemerkte, dass dies die falsche Richtung sei. Ob das glaubwürdig ist oder nicht, sei dahin gestellt und soll hier nicht näher diskutiert werden. Menschen mag es schwer fallen sich zu ändern, nichts desto trotz kommt es vor.

Der zweite Kritikpunkt seiner Vergangenheit ist die Nähe zu der Partei „Freiheitlichen – Südtirol“. Ob er nun Mitglied gewesen sei oder sich diese Nähe nur auf zwei Treffen beschränkt, soll hier keine Rolle spielen. Kritiker nennen sie eine „Schwesternpartei“ der rechts-populistischen Partei Österreichs, die FPÖ, welche ihren Höhepunkt und Jörg Haider hatte. Obwohl die zwei Parteien gemeinsame Wurzeln haben, haben sich die Freiheitlichen Südtirol seit langer Zeit offen und weit von der FPÖ distanziert. Auch populistische Slogans, wie jene der FPÖ, findet man bei den Südtirolern nicht. Die Freiheitlichen Südtirol sind ganz bestimmt nichts links außen anzusiedeln, sie jedoch mit einer NPD zu vergleichen, ist eine Ohrfeige für viele Südtiroler. Sie sind die zweitstärkste Kraft im Südtiroler Landtag und befinden sich in jüngsten Jahren im Aufwind – die kommenden Landtagswahlen im Oktober 2013 werden es wieder zeigen. Ein Vergleich mit der CDU oder CSU ist angemessen. Die weitaus stärkste Kraft ist übrigens die Südtiroler Volkspartei – und wie der Name schon andeutet - mit einem konservativem Programm.

Die Parteienlandschaft in Südtirol ist als Außenstehender schwierig zu verstehen. Als Vertreter der österreichischen Minderheit in Italien, wie es Südtiroler nun mal sind, sind diese Parteien italienweit links-liberal orientiert. Die Südtiroler Volkspartei ging bei den jüngsten Parlamentswahlen z.B. mit dem linken Flügel Bersanis – Partito Democratico – ein Bündnis ein. Auf Südtiroler Ebene vertreten sie allerdings ein konservatives Erscheinen, da Minderheiteninteressen so besser gewahrt werden wollen. Dieses Phänomen gibt es allerdings nicht nur in Südtirol, sondern auch in zahlreichen anderen Regionen. Um ein Beispiel dieses Konservativismus zu nennen: In Südtirol gilt eine sogenannte Ansässigkeitsklausel (welche zurzeit von der EU angefochten wird), das heißt: Um in Südtirol zueispiel wählen zu dürfen, muss man für einige Jahre in Südtirol wohnhaft sein. Damit wollte man ursprünglich verhindern, dass Italiener aus dem restlichen Italien für nur kurze Zeit in Südtirol leben und dort ihre Stimme abgeben und somit die Minderheitsbestimmungen der Autonomie, welche Südtirol genießt, untergraben.

Aber zurück zur Freiheitlichen Partei Südtirol: Die Partei strebt einen eigenständigen Staat Südtirols an. Dafür muss man wissen, dass Südtirol nach dem ersten Weltkrieg von Österreich losgelöst an und Italien angegliedert wurde. Für viele Leute, auch für viele in Südtirol, ist so eine Forderung heute nicht mehr zeitgemäß. Darüber lässt sich streiten und Argumente für beide Seiten finden. Antwort kann darauf nicht so einfach gegeben werden und um das zu verstehen sollte man sich zuvor sehr intensiv mit Südtirol auseinandersetzen und nicht auf halbherzige Journalisten hören, die frei.wild fragen, „ob das in Zeiten der EU total außer Frage steht und nicht doch rechtsradikal“ (siehe Volksbefragungen in Schottland, Katalonien, Großbritannien bezüglich einem Verbleib der EU). Im Übrigen sehe ich mich persönlich als Vorzeigeeuropäer und finde dieses Europäische Denken, wie es von vielen proklamiert wird, auf staats- und persönlicher Ebene leider viel zu oft noch nicht.

Die separatistische Bewegung findet in Zeiten der Krise auch viele neue Anhänger. "Warum sollten wir uns von Italien trennen - uns geht es schließlich gut" war ein Argument vieler, die Situation nicht ändern zu wollen. Ein Argument, welches seine Gültigkeit hat und zu respektieren gilt. In Zeiten der Not sollte man sich allerdings nicht wundern, wenn dieses Argument verloren geht und seine Gültigkeit bei jenen Personen verliert. Bei dieser Gelegenheit sei auch gesagt, dass viele Südtiroler hinter der Autonomie und deren Ausbau stehen und können sich daher nicht mit den Texten Frei.Wild's identifizieren (siehe Video auf der Startseite).

Fakt ist, dass Südtirol ungewollt an Italien angegliedert wurde. Die Bevölkerung wurde während des Faschismus Italianisiert (Deutsche Nachnamen und Ortsnamen wurde ins Italienische übersetzt, die Deutsche Sprache wurde verboten, Deutsch wurde in illegalen sogenannten Katakombenschulen unterrichtet, Italiener in Südtirol angesiedelt, damit die „deutsche“ Kultur verloren geht). Für viele mag es eine lange Zeit sein, aber das alles ist keine 100 Jahre her und hat sich tief in das Bewusstsein – besonders der älteren – Generation gefressen. Auch die jüngere Geschichte bietet einige solcher Beispiele. Wer es nachlesen will, kann sich mit dem langen Kampf des Autonomiestatuts vor der UNO beschäftigen (im Übrigen eine spannende Geschichte in der auch leider Bomben gefallen, Menschen gestorben sind und auch heute noch Leute de facto im Exil leben müssen). Die Streitbeilegung Italiens mit Österreich fand schlussendlich erst in den 90er Jahren statt und war auch der Grund, dass Österreich nicht früher der EU beitreten konnte. Und immer noch gibt es Auseinandersetzungen mit den italienischen Regierungen in Rom; neueste Beispiel: Die Regierung Monti, welche der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder (Südtiroler Volkspartei) als „schlechteste Regierung für die Südtiroler Autonomie“ bezeichnet hat.

Die Taten als Teenager kann man Philipp Burger nicht abstreiten und will er auch selbst nicht. Rückgängig sind sie auch nicht mehr zu machen, insofern muss man mit denen leben und neu anfangen. Die Verurteilung wegen der Nähe zu den Freiheitlichen (oder Mitgliedschaft) muss der gesamten Wählerschaft dieser Partei sauer aufstoßen: Von rechtsradikalem Gedankengut kann in diesem Zusammenhang (zumindest als Südtiroler Sicht) von keiner Rede sein.

Wer sich näher für die Geschichte Südtirols auseinander setzt, kann sich den kurzen Film auf der Startseite ansehen oder die ausführliche Fernsehreihe ZDF History "Der Kampf um Südtirol" ansehen (hier der 1. Teil).




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